Lehrlingsstreik

Lehrlingsstreik, Symbolbild. | Dieses Bild ist kein Bestandteil des vorliegenden Artikels des ROTEN MORGEN.

ROTER MORGEN, 6. Jg., 31. Juli 1972

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Kapitalisten, Gewerkschaftsbürokraten und Revisionisten in trauter Dreieinigkeit gegen kämpfende Lehrlinge!

Was war passiert? Am 27.6. legten 450 Lehrlinge aus den Kieler Großbetrieben (Howalt, MAK, Elac, Hagenuk, Zeiss-Ikon, Nagel und Goller) die Arbeit nieder. Der Grund: Am 31. 3. wurden die Lehrlingstarifverträge gekündigt. Die Lehrlinge forderten 100,- DM monatlich mehr, und zwar rückwirkend ab 1. 4. bis 31.12 Und die Gewerkschaft? Sie ging nur mit 50,- DM in die Verhandlungen rein, und diese sollten erst ab Juni gezahlt werden.

Wer hat uns verraten: Gewerkschaftsbürokraten!

 Ein Kieler Lehrling berichtet uns über den Streik: „Dienstag morgen um ca. 9.00 Uhr versammelt und einen Demonstrationszug durch die wichtigsten Straßen gemacht. Ein Teil der Lehrlinge ging zur Berufsschule und hat dort Klassenräume besetzt und einen Teil der Schüler für den Streik gewonnen. Wir trugen Losungen mit wie: wer hat uns verraten – Gewerkschaftsbürokraten! 50 DM wolln wir nicht – 100 DM ab März!

Danach trafen sich alle Lehrlinge wieder vorm Gewerkschaftshaus und belagerten es. Zur gleichen Zeit mauschelten die Bonzen gerade die Verträge aus. Sie verabschiedeten 50 DM ab 1. 6., worauf ein scharfer Protest einsetzte und Sprechchöre gerufen wurden: „Wer hat uns verraten – Gewerkschaftsbürokraten“.

Die Kommission war nicht bereit mit den Lehrlingen auf der Straße zu diskutieren!

Als wir merkten, dass wir durch den Streik an dem Ergebnis nicht mehr ändern konnten, hörten wir auf, beschlossen aber, sofort wieder auf die Straße zu gehen, wenn einem von uns was im Betrieb passieren sollte  (Rausschmiß oder sowas).“

Kapitalisten, Gewerkschaftsbürokraten …

Die Kapitalisten und ihre Betriebsleitungen reagieren sofort: Mit Einschüchterungsversuchen aller Art bis zu Kündigungsdrohungen versuchen sie die Lehrlinge mürbe zu machen. Verschiedene Betriebe gingen sogar soweit, Drohbriefe an die Eltern der Lehrlinge zu verschicken. Nicht viel anders die Gewerkschaftsbonzen. Unser Kieler Kollege schreibt dazu: „Hier zeigten die Bonzen mal ihr wahres Gesicht. Sie haben den Streik bekämpft und uns verraten. Dem Ortsjugendausschuß, der am gleichen Abend tagen wollte, um den Streik nochmal zu diskutieren, erteilten sie Hausverbot. Inzwischen gehen diese „Arbeitervertreter“ daran, die Gewerkschaft zu säubern. Sie versuchen, die ‚Rädelsführer‘ ausfindig zu machen. Mir selbst und auch anderen hat man schon Ausschlußverfahren angedroht.

Und die D“K“P . . .

Die sogenannten ‚Kommunisten‘ der D’K’P wollten da hinter den Kapitalisten und Gewerkschaftsbonzen nicht zurückstehen: „Diese Leute entpuppten sich während des Streiks als Anhängsel der Gewerkschaftsbonzen. Zuerst durften wir in ihrem ‚S‘DAJ-Treffpunkt Club M tagen. Als wir aber gegen die Gewerkschaftsbürokraten auftraten und die SDAJ überstimmten, haben sie uns rausgeschmissen. Als genauso ein ‚Arbeitervertreter‘ wie die Gewerkschaftsspitze entpuppte sich auch Helmut Schlüter, führendes Mitglied der D’K’P auf der Howaltswerft. Er versuchte vor dem Werkstor, die Lehrlinge abzuwiegeln. Er sagte, man müsse sowas mit der Gewerkschaft zusammen machen, unser Streik ist illegal. Die D’K’P hat anhand dieser Beispiele ganz klar gezeigt, welche Rolle sie zusammen mit der Gewerkschaft in der Arbeiterbewegung einnimmt.“

Der Kampf geht weiter!

Unser Kieler Kollege faßt die Erfahrungen dieses Streiks so zusammen: „Für die Kieler Lehrlinge war dieser Streik ein großer Fortschritt. Wir konnten die Sache zwar nicht rückgängig machen, haben aber den Kampf zum erstenmal in die eigenen Hände genommen, gegen D’K’P und IGM-Bonzen. Das Bewußtsein der Lehrlinge ist in diesem Kampf gestiegen. Sie haben erkannt, daß durch ihre Solidarität keinem etwas angetan werden konnte, trotz des Drucks in den Betrieben.

Wir sind den Unternehmern das erstemal selbständig gegenübergetreten. Das werden wir auch das nächste Mal tun. In der Gewerkschaft und im Betrieb werden wir die Konsequenzen ziehen: Verstärkte Aufklärung über die Ursachen des Streiks, die Bloßstellung der D’K’P-Führer und den Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie.“

Wir meinen, das ist eine klare und richtige Konsequenz. Und nicht nur für die Kieler Lehrlinge, sondern auch für die Hamburger, für alle Lehrlinge.

Da können D’K’P – und ‚S‘DAJler noch so sehr gegen die ‚illegalen Streiks‘ der Lehrlinge zetern, da können die Kapitalisten und Gewerkschaftsbürokraten noch so lange miteinander mauscheln, um sich die Lehrlinge als besonders billige Arbeitskraft zu erhalten und um sie notfalls gegen die älteren Kollegen auszuspielen. Schreiten wir voran unter den Losungen der Roten Garde:

Streikrecht für Lehrlinge!

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

Für die Arbeit in der Produktion – 80 % vom Facharbeiterlohn!

Gegen die Spaltung in Alt und Jung
für die geschlossene Kampffront der Arbeiterklasse!
 

 

 

Anmerkung der Redaktion „Die Welt vor 5o Jahren“:

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