Der Staat in dem wir leben:

Kinderarbeit: Auch 1969 in der BRD keine Seltenheit. Das Bild ist kein Bestandteil des vorliegenden Artikels des ROTEN MORGEN.

ROTER MORGEN, 3. Jg., Juni 1969

Nach der alle drei Jahre aufgestellten Vermögenssteuer-Statistik hat die Zahl der Vermögensmillionäre in der Bundesrepublik in den letzten drei Jahren um etwa 30% zugenommen. In der gleichen Zeit hat sich der Wert ihres Vermögens um die gleiche Rate erhöht. Zur Zeit gibt es bei uns 15400 Millionäre mit einem Vermögen von 49,9 Milliarden Mark. Davon sind 6 Multimillionäre mit einem steuerpflichtigen Vermögen von 200 Millionen Mark und mehr. 16 nennen ein Vermögen zwischen 100 und 200 Millionen ihr Eigen, 28 zwischen 50 und 100 Millionen. Über 10 800 Millionäre begnügen sich indes mit einem von „nur“ 1 bis 2,5 Millionen Mark.

Immer noch grassiert in der Bundesrepublik Kinderarbeit. Allein in Bayern mußten die Gewerbeaufsichtsämter in den letzten 2 ½ Jahren 250 Mal eingreifen, weil Kinder beschäftigt wurden. Insgesamt haben die Ämter in dieser Zeit 21186 Mal beanstandet, daß die gesetzlichen Vorschriften nicht beachten wurden. Trotz ärztlichen Verbots arbeiten 7 081 Jugendliche. Tätigkeiten am Sonntag oder anderen arbeitsfreien Zeiten wurden 3 400 Mal festgestellt. Die für die Kinderarbeit zutreffenden Dunkelziffern liegen jedoch noch weitaus höher. Dagegen sind die Behörden in der strafrechtlichen Verfolgung der die Kinder ausbeutenden Unternehmer äusserst human. Nur in 830 Fällen wurde verfolgt und dabei geradezu lächerliche Geldstrafen von 10,– bis 300,– Mark erlassen, die die Unternehmer auf Grund ihrer enormen Profite aus der Kinderarbeit mit der linken Hand bezahlen können.

Die Reichen werden in unserem Staat bevorzugt behandelt. Wer 800,– Mark im Monat verdient, bekommt durch Steuerfreibeträge für das 1. Kind 19,– Mark. Bei einem Gehalt von 2000,– Mark erhält er schon 23,40 Mark. Bei Kindern gibt es bei einem Gehalt von 800,– Mark für jedes Kind 55,02 Mark, bei einem 2.000,– Mark-Einkommen hilft der Staat jedoch mit 60,60.

Auch auf anderen Gebieten werden die sozial Schwachen geschröpft. Während die Erwerbsunfähigkeits- und Altersrentner durch den Krankenversicherungsbeitrag um 2% gerupft werden, können die Industrie-Aktiengesellschaften für das letzte Krisenjahr 8,1% höhere Gewinne ausschütten und die Jahresgehälter der Vorstandsmitglieder von ihren Hauskonzernen stiegen um 25% auf 543.650 Mark oder 45.304 Mark monatlich.

Dagegen müssen 12,7% der Rheinland/Pfälzer über 65 Jahren mit unter 200 Mark im Monat auskommen. 32% mit weniger als 300 Mark, 20% über 500 Mark. Das ist für die Hälfte der Alten zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.

In den Stadtwerken von Ludwigshafen/Rhein wurden im Mai in der städtischen Verbrennungsanlage 300 Kilogramm des Waschpulvers „Cascade“ des in der Nähe Worms ansässigen US-Waschmittelkonzerns Procter % Gamble verbrannt. Gegenwert rund 1,2 Millionen Mark. Grund: Im harten Kampf um den Markt will der US-Konzern nur noch Dash groß herausstellen. Andere Produkte des Konzerns: Ariel, Sanso, Rei, Lenor, Spüli, Kei, Meister Propper, Fairy.

Im Zuge der vergangenen Wirtschaftskrise hat sich die Ausbeutung in den Betrieben beträchtlich erhöht. 1968 gab es in der Wirtschaft der Bundesrepublik im Jahresdurchschnitt 770 000 Erwerbstätige weniger als 1966. Dennoch stieg die Produktion (Bruttoinlandsprodukt) um fast 7%. Das bedeutet eine enorm gestiegene Ausbeutung der Werktätigen, da nur ein Teil der Erhöhung durch Automation zustande kam. Am stärksten waren vom Abbau der Arbeitsplätze die Arbeiter betroffen, aber auch die Angestellten können sich keineswegs sicher fühlen.

Immer salonfähiger wird die neonazistische NPD. Während man offiziell noch so tut, als gelte es, sie zu bekämpfen, führten Bundesminister Heck und CSU-Vorsitzender Strauß anläßlich der Präsidentenwahl in Westberlin Gespräche mit ihren Partnern von morgen, Adolf von Thadden. Heck sistanzierte sich ausdrücklich von Praktiken, die auf eine Herabsetzung der NPD abzielten.

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