
ROTER MORGEN, 7. Jg., 24. März 1973
Brasilien: Partisanenkampf weitet sich aus!
Brasilien, das größte Land Lateinamerikas, flächenmäßig so groß wie die USA, ein Land, das mit die reichsten Bodenschätze der Welt besitzt.
Brasilien, ein Land, das im Jahre 1861 Unabhängigkeit und Demokratie erkämpfte, als in Deutschland noch die schwarze Reaktion der Fürsten, Junker und Schlotbarone herrschte.
Brasilien 1973: 64 % der arbeitenden Bevölkerung verdient weniger als 200 DM im Monat; 44,5 % erhalten nicht einmal den Mindestlohn von 117 DM. Nur 31,7 % der Bevölkerung, also jeder dritte, hat überhaupt Arbeit gefunden. Allein in Sao Paulo gibt es 4,5 Millionen Arbeitslose.
Diese Zustände können nur aufrechterhalten werden durch den blutigen Terror der Medici-Militärdiktatur, die ihre starke Stütze im US- und westdeutschen Imperialismus hat.
25 % der außereuropäischen Kapitalinvestitionen der Bundesrepublik gehen nach Brasilien. Der brasilianische Arbeiter erschuftet dem VW-Konzern pro Jahr 4 500 DM mehr Profit als sein Kollege in Wolfsburg.
Morde an Arbeiterführern und an Genossen der KP do Brasil (siehe RM Nr. 6, S.5) durch die brasilianische SA die ‚Todeskommandos‘) sind an der Tagesordnung. Kein Wunder, gerät die Faschisten-Clique in immer größere Schwierigkeiten durch das Aufflammen des revolutionären Kampfes in Brasilien.
Seit fast einem Jahr führt die Armee einen Einkreisungs- und Ausrottungsfeldzug gegen die Partisaneneinheiten in der Provinz Para und den angrenzenden Gebieten Goias und Maranhao. Diese Befreiungskämpfe werden von der imperialistischen Presse der ganzen Welt wie auch in Westdeutschland totgeschwiegen. In Brasilien selbst kann allerdings nicht einmal die zensierte Presse verschweigen, daß die angeblichen ‚Manöver‘ in diesem Gebiet in Wirklichkeit gegen ‚Aufständische‘ geführt werden.
Die Gegend des Partisanenkampfes liegt im Einzugsgebiet des Amazonas, das durch die Transamazonasstraße für die amerikanischen und westdeutschen Kapitalisten erschlossen werden soll. Nelson Rockefeller besitzt dort eine Farm von 300 000 Hektar Fläche, wogegen die 57 000 Hektar des Prinzen von Thurn und Taxis aus Regensburg sich fast bescheiden ausnehmen.
Die Bevölkerung im Süden von Para, im Südwesten von Maranhao und im Norden von Mato grosso sowie in Goia besteht zum großen Teil aus ehemaligen Landlosen, die in den Urwald gekommen sind, um auf dem ungenutzten Land einen Platz zum leben und arbeiten zu finden. Viele wurden auch durch das ‚soziale Reformprogramm‘ der Regierung dorthin gelockt. Sie erhielten das versprochene Land, nachdem zuvor die Militärs die einheimischen Indianerstämme vertrieben und großteils ausgerottet hatten.
Die ‚Posaeiras‘ (landlose Bauern) kämpften gegen Hunger, Malaria, Moskitos – jahrelang – bis sie das Land fruchtbar gemacht hatten. Dann erschien der soziale Wohltäter, die Regierung, und ließ die Bauern brutal durch das Militär von diesem Land wieder vertreiben. Bei dieser ‚Landerschließungsaktion‘ handelt es sich fast immer um Land, das ausländische Kapitalisten zuvor bereits gekauft hatten.
Das Volk greift zu den Waffen
Ein Volk, das jahrelang unter faschistischer Tyrannei litt, kann viel ertragen. Aber einmal ist genug. Das Volk greift zu den Waffen.
‚ A Classe operaria‘, das Zentralorgan der KP do Brasil, berichtet über den großen Widerhall des bewaffneten Kampfes in der Bevölkerung.
„Das Volk verfolgt die Ereignisse mit großem Interesse und zeigt in verschiedenen Formen seine Solidarität mit den Kämpfenden. So hat z.B. die Regierung großen Druck auf die Bevölkerung ausgeübt, um Führer durch das unwegsame Urwaldgelände zu bekommen. Trotzdem hat sie keine gefunden, denn die Führer sind die Freunde derjenigen, die im Urwald kämpfen. Außerdem würde jeder sein Leben riskieren, der den Reaktionären hilft.
Da sie nun die Sympathie der Bevölkerung für die Partisanen sehen, versuchen die Behörden zu manövrieren. Sie organisierten einen sogenannten Feldzug zur medizinischen Versorgung der Bewohner. Als ein alter Einwohner dieser Gegend ein solches Medizinzentrum verließ, nachdem er Medikamente erhalten hatte, sagte er: „Vielen Dank Mineirao (so heißt ein Partisanenführer), daß du mir diese Medikamente verschafft hast.“
Der bewaffnete Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn die Partei, die Gewehre kommandiert, wenn die Kommunistische Partei den bewaffneten Kampf leitet. Das gilt besonders für Brasilien, wo oft genug isolierte ‚Stadtguerillas‘ durch die Faschisten vernichtet und zerschlagen wurden.
Aber die gefährlichste Strömung in der revolutionären Bewegung auch in Brasilien sind nicht putschistische und anarchistische Elemente, sondern die Revisionisten vom Schlage Chruschtschows in der B’K’P (Brasilianische ‚Kommunistische‘ Partei). Sie gehen soweit, sich mit der Diktatur zu arrangieren. Obwohl sie ebenfalls verboten sind, schweigen sie wie die zensierte Regierungspresse über den Befreiungskampf im Süden von Para. Sie hoffen auf das Wohlwollen der brasilianischen Bourgeoisie und auf die Legalität ihrer Partei unter einer ‚realistischen‘ Fraktion der herrschenden Clique. Deshalb reden sie auch in ihrer Presse noch nicht einmal von Diktatur!
Dagegen organisierte die KP do Brasil eine Nachrichtenagentur für das brasilianische Volk, in dem sie über alle revolutionären Bewegungen im Land wie auch über den Befreiungskampf in Para informiert. Das Zentralorgan der KP do Brasil schreibt im Dezember 1972:
„Bis heute traten die Generale die Rechte des Volkes mit Füßen und verübten bestialische Verbrechen, weil sie glaubten, niemand sei fähig, sich erfolgreich zu erheben, um gegen die Tyrannei zu kämpfen. Genau das aber taten die Bewohner im Süden des Staates von Para. Seit 8 Monaten leisteten sie erfolgreich Widerstand.
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