Auf dem Boden der Verfassung?

"Grundgesetz" der BRD. Das Bild ist kein Bestandteil des vorliegenden Artikels des ROTEN MORGEN.

ROTER MORGEN, 3. Jg., Mai 1969

                                                            Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und
Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre
Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen
Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die
herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution
zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als
ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.

„Manifest der Kommunistischen Partei“

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Mit Flaggenschmuck an öffentlichen Gebäuden feierte man am 23. Mai die offizielle Verkündung und Annahme des „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ vor 20 Jahren, die bürgerliche Verfassung des westdeutschen Separatstaates. Die KPD war es, die damals aus grundsätzlichen Erwägungen heraus diesem Gesetz ihre Stimme verweigerte. Heute, 20 Jahre später, erklärt Kurt Bachmann, Vorsitzender der DKP, die Deutsche Kommunistische Partei stünde auf dem Boden des Grundgesetzes, sie wolle Staat und Gesellschaft auf der Basis der im Grundgesetz verkündeten Rechte und Prinzipien erneuern.

Auf dem Boden des Grundgesetzes stehen auch Adolf  von Thadden, Vorsitzender der NPD, CSU-Boss Franz-Josef Strauß, Altnazi Kanzler Kiesinger und die Lakaien der Monopolbourgeoisie Brandt, Schiller und Co.

Wie aber kann jemand, der sich „Kommunist“ nennt, also die Errichtung des Sozialismus anstrebt, auf dem Boden einer bürgerlichen Verfassung stehen und zudem noch behaupten, eben auf dieser Basis, dem Grundgesetz, Staat und Gesellschaft erneuern zu wollen. Was ist das für eine wundersame Verfassung, die so etwas ermöglicht?

Zugegeben, das Grundgesetz enthält eine Reihe schön klingender Worte und Phrasen. Doch was nützt es, wenn dort steht „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“ (Art. 5), wenn zur konkreten, wirksamen Ausübung dieses Rechts große Geldsummen erforderlich sind. Wenn selbst bürgerliche Publizisten behaupten, das Recht der freien Meinungsäußerung bestünde darin, daß rund 100 Multimillionäre ihre Meinung frei äußern dürfen. Was nützt es, wenn (Art.8) davon die Rede ist, „alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“, in der Praxis aber dieses „Recht“ durch Polizeiverordnungen ad absurdum geführt wird und die Inanspruchnahme dieses „Rechts“ zu Prügeln durch die Staatsmacht oder ins Gefängnis führt. Der entscheidende, den Klassencharakter des Grundgesetzes am klarsten zum Ausdruck bringende Artikel aber heißt: „Das Eigentum (also auch an Produktionsmitteln) und das Erbrecht werden gewährleistet“ (Art. 14). Dieser Artikel ist eine Garantie für den Privatbesitz der Monopolbourgeoisie, auch wenn es zusätzlich und unverbindlich heißt. „Eigentum verpflichtet, sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen“.

Das Grundgesetz ist eine typisch bürgerliche Verfassung, wie es sie in fast allen kapitalistischen Ländern gibt. Es enthält neben den Bestimmungen über bürgerliche Freiheiten gleich solche, die diese Bestimmungen wieder einschränken und aufheben. Schon Marx kritisierte aus diesem Grunde im Jahre 1848 die Verfassung der französischen Republik  „… jede ihrer Bestimmungen enthält ihre eigene Antithese – hebt sich selbst vollständig auf“.

Es bedarf also gar nicht des Hinweises, daß die westdeutsche Bourgeoisie ihre eigene Verfassung von 1949 inzwischen durch zig Änderungen einschränkte und daß jeder, der sich heute auf den Boden des Grundgesetzes stellt, automatisch die Notstandsgesetze, die Errichtung einer faschistischen Diktatur der Monopolbourgeoisie anerkennt, um zu beweisen, daß ein solches „sich auf den Boden stellen“ offener Verrat am Marxismus-Leninismus ist.

Wenn Bachmann und Konsorten behaupten, auf der Basis dieses Grundgesetzes Staat und Gesellschaft ändern zu können, so zeigen sie, daß sie wie ihre geistigen Väter Togliatti und Kautsky im Sumpf des Reformismus gelandet sind. Sehen wir uns noch einmal die Realitäten an: Fast 500 000 Mann Bundeswehr, über 100 000 Mann Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizei, Werkschutz in vielen Betrieben, eine straff organisierte Staatsbürokratie, Hunderte Gerichtshöfe und Gefängnisse, US-Militärbasen und Besatzungstruppen, ein allmächtiger Apparat zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung, alles im Dienste der Monopolbourgeoisie. Und da schwatzen sie von friedlichen Reformen, von der Möglichkeit, die Monopole über den Weg der Gesetzgebung zu enteignen und so innerhalb des bürgerlichen Staates peu a peu den Sozialismus zu errichten.

Man sollte ihnen das Referat Lenins unter die Nase reiben, in dem er auf dem Ersten Kongreß der Kommunistischen Internationale im Jahre 1919 sagte:

„Was die Sozialisten (in unserem Fall die DK-Pisten) vor allem nicht verstehen und was ihre theoretische Kurzsichtigkeit, ihr Verharren im Banne bürgerlicher Vorurteile, ihren politischen Verrat am Proletariat ausmacht, ist, daß es in der kapitalistischen Gesellschaft bei einer einigermaßen ernstlichen Verschärfung des Klassenkampfes, auf dem diese Gesellschaft begründet ist, kein Mittelding geben kann zwischen der Diktatur der Bourgeoisie und der Diktatur des Proletariats. Jeder Traum von irgendetwas Drittem ist reaktionäre Lamentation eines Kleinbürgers.

… es wäre der größte Unsinn, anzunehmen, daß die tiefstgreifende Revolution in der Geschichte der Menschheit, bei der zum erstenmal in der Welt die Macht von der ausbeutenden Minderheit an die ausgebeutete Mehrheit übergeht, sich im Rahmen der alten, bürgerlichen, parlamentarischen Demokratie vollziehen kann, daß sie sich ohne umwälzende Veränderungen vollziehen kann, ohne neue Formen der Demokratie, neue Institutionen zu schaffen, die die neuen Bedingungen für ihre Anwendung verkörpern usw.“

Zwar unterscheidet Bachmann & Co. nichts von Thadden, Strauß, Kiesinger usw., mit denen sie gemeinsam auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, aber alles von Marx, Engels und Lenin, auf die sie sich heuchlerisch berufen.

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