ROTER MORGEN, 2. Jg., Januar 1968
Als wir, Hamburger Marxisten-Leninisten, den ROTEN MORGEN schufen, gingen wir aus von dem leninschen Prinzip: Eine Zeitung hat kollektiver Agitator, Propagandist und Organisator zu sein. Wobei naturgemäß, angesichts der Verhältnisse in Westdeutschland, der Schwerpunkt der Arbeit vorerst auf dem‚ ‚hat kollektiver Organisator zu sein‘ lag und liegt.
Nach dem Versagen der KPD, der Unfähigkeit sogenannter Linkssozialisten, unserem Volk einen gangbaren Ausweg, eine Alternative zur monopolkapitalistischen Diktatur mit all ihren Folgen zu zeigen, ergibt sich zwingend die Notwendigkeit, die bereit und willens sind, die Diktatur des Monopolkapitals in Westdeutschland ein für allemal restlos zu vernichten und ihr die Herrschaft des Volkes, die Diktatur des Proletariats entgegenzustellen, zu sammeln.
Welches Bild bietet sich uns zur Zeit in Westdeutschland im Hinblick auf die sogenannte linke außerparlamentarische Opposition? Im großen und ganzen kann man zwischen vier Richtungen oder Gruppierungen unterscheiden.
1. Die sich „unabhängig“ nennenden Sozialisten oder die heimatlose Linke, wie sie sich öfter bezeichnen. Zersplittert in kleine und kleinste Grüppchen. Ohne einheitliches Programm oder gemeinsame Zielsetzung. Individualistisch, verworren. Zu dieser Richtung könnte man zählen: den Sozialistischen Bund (SB), die Vereinigung Unabhängiger Sozialisten (VUS), die Arbeitsgemeinschaft Sozialistischer Opposition (ASO), die Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Sozialisten (ADS). Einzelpersönlichkeiten wie die Professoren Abendroth, Heydorn usw., bedingt die Deutsche Friedens-Union (DFU) und neuerdings die Demokratische Linke (DL).
2. Im engen Zusammenhang mit diesen Gruppen, durch Querverbindungen in sie hineinwirkend, die KPD. Trotz Verbot völlig auf dem Kurs der modernen Revisionisten. Bemüht durch Aufgabe marxistisch-leninistischer Prinzipien, die Gunst der Bourgeoisie auf Wiederzulassung zu erbetteln. Es muß offen gesagt werden: Die Politik beider Gruppen läuft darauf hinaus, Arzt am Krankenbett des Kapitalismus zu sein, durch Reformen die Herrschaft des Monopolkapitalismus zu verlängern, und dort, wo sie vorgeben den Sozialismus zu erstreben, dies ausschließlich auf friedlich-parlamentarischem Wege tun zu wollen, durch Umwandlung (nicht Zerstörung) des bürgerlichen in einen sozialistischen Staat.
3. Die vor allen im letzten Jahr an unseren Hochschulen und Schulen entstandene und noch im Entstehen begriffene Opposition der Studenten und Schüler. Kristallisationspunkt dieser Bewegung ist der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS). Sie unterscheidet sich von den ersten beiden Gruppierungen dadurch, daß sie die bestehende Gesellschaftsordnung in Frage stellt und ihren Sturz auf revolutionärem Wege erstrebt. Kennzeichen dieser Bewegung sind außerparlamentarische, die Menschenfeindlichkeit der bestehenden Gesellschaft entlarvende Aktionen. Andererseits aber auch anarchistische Züge, Ziellosigkeit in der Frage ‚was kommt danach‘ und ihr bisheriges Unvermögen, sich mit der Arbeiterschaft zu verbünden, ohne die eine revolutionäre Veränderung der bestehenden Verhältnisse nicht möglich ist.
4. Wir, die Marxisten-Leninisten Westdeutschlands. Auch hier Aufspaltung in kleine Gruppen, Zirkel, Vereinigungen. Tragendes Element, die Arbeiter, aber auch – wie in Hamburg – im Bündnis mit marxistisch-leninistische Studenten. Die Tätigkeit dieser Gruppen beschränkte sich bisher auf die Verbreitung marxistisch-leninistischen Gedankengutes, vorwiegend die Lehren und Erkenntnisse des Vorsitzenden Mao Tse-tungs und Teilnahme an Aktionen der außerparlamentarischen Opposition. Zu einer Vereinigung kam es bisher nicht, obwohl entsprechende Bestrebungen vorhanden sind.
Soweit zur Situation. Die Frage ist nun: Was tun? In letzter Zeit ist es in halblinken Kreisen Mode geworden, von der Notwendigkeit der Sammlung, eines Bündnisses aller außenparlamentarischen links von der SPD stehenden Kräfte zu sprechen. Der Begriff Partei wird mit Rücksicht auf die um ihre Wiederzulassung kämpfende KPD peinlichst vermieden. Eine Konferenz der „sozialistischen Opposition“, auf der ein Aktionsprogramm beschlossen werden soll, findet am 3. Februar in Offenbach statt. Schaut man sich diese „Sozialistischen Alternativen“ näher an, wird der reformistische Charakter dieser Bewegung sofort offenbar. Es ist der Weg der Evolution und nicht der Revolution, den man zu gehen gedenkt – wie Professor Heydorn es formulierte.
Ist eine solche Sammlung für uns Marxisten-Leninisten Westdeutschlands ein derzeit gangbarer Weg? Nein! Was wir zur Zeit brauchen, ist nicht die Sammlung aller irgendwie links von der SPD stehender opportunistischer Kräfte, sondern die Sammlung aller Kommunisten, fortschrittlichen Arbeiter, Studenten und Bauern in einer marxistisch-leninistischen Partei. Nur eine geschlossene, kampfstarke Partei, die in revolutionären Stil des Marxismus-Leninismus aufgebaut ist, wird die Arbeiterklasse und die breiten Volksmassen zum Sieg über den Imperialismus und seine Lakaien führen können.
Die Bildung solcher Parteien, die sich prinzipiell von den ‚kommunistischen‘ Parteien unterscheiden, die sklavisch dem Kurs der revisionistischen Führung der Sowjetunion folgen, geht zur Zeit überall in Westeuropa legal und in Osteuropa illegal vor sich. Erst vor kurzen hat sich die marxistisch-leninistische KP Frankreichs konstituiert, die hervorragende Genossen in ihren Reihen vereint. Westdeutschland kann und wird keine Ausnahme bleiben. Es wäre gelacht, gelänge es uns nicht, in einem Land mit der ruhmreichen Tradition eines Marx, Engels, Bebel, Liebknecht und Thälmanns, eine marxistisch-leninistische Partei auf die Beine zu stellen!
Doch werden wir konkret: Welche Schwierigkeiten gibt es noch zu überwinden? Vor allen das Gruppendenken und das Bestreben einzelner ‚Führer‘, aus egoistischen Motiven sich nicht der gemeinsamen Sache und notwendigen Disziplin unterzuordnen. Sicher gibt es Gründe dafür.
Einzelne Gruppen haben schon jahrelang gearbeitet, Opfer gebracht. Doch das taten andere auch. Eine Gruppe gründete in revolutionärer Ungeduld, ohne die notwendige gründliche Vorbereitung, eine Partei und fiel auf den Bauch. Eine andere gibt seit Jahren ein Organ heraus, in dem zur notwendigen Einigkeit aufgerufen wurde, brachte es jedoch fertig, alle Genossen, die nicht ganz ihrer Meinung waren, vor den Kopf zu stoßen, anstatt den guten Willen zu respektieren und helfende Kritik zu üben. Andere wieder beschränkten sich nur auf Aktionen, ohne auch nur den Versuch einer Sammlung und Zusammenarbeit zu unternehmen. Auch dafür gibt es objektive Gründe. Der Hauptgrund, der uns bisher hinderte, war der, daß sich die Marxisten-Leninisten Westdeutschlands nicht kannten, und daß es noch zu wenige waren.
Hier hat die Große Proletarische Kulturrevolution in der Volksrepublik China – wie überall in der Welt – eine Veränderung der Lage bewirkt. Sie hat zahlreiche Kommunisten, die angesichts des revisionistischen Kurses ihrer Parteien zu verzweifeln begannen, neuen Auftrieb und eine klare Perspektive gegeben. Sie hat sie veranlaßt, das rote Banner der Revolution in die eigenen Hände zu nehmen. Sie hat vielen jungen Menschen, Arbeitern und Studenten die Richtung gewiesen. Sie ist als Ereignis gleichzusetzen mit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Sie hat bewirkt, daß auch in Westdeutschland kampferfahrene, marxistisch-leninistisch geschulte Genossen in zunehmenden Maße sich unserer Bewegung anschließen. Die Lage ist ausgezeichnet und wird von Tag zu Tag besser.
Die Herausgabe des ROTEN MORGEN wurde ein voller Erfolg. Es ist uns in den letzten Monaten gelungen, zahlreiche Verbindungen zu anderen marxistisch-leninistischen Gruppen herzustellen. Und wir sind sicher, daß zur Zeit noch bestehende unbedeutende Schwierigkeiten überwunden werden. Wir, die Gruppe ROTER MORGEN die Vereinigung Hamburger Marxisten-Leninisten, sind bereit, mit jeder in Westdeutschland bestehenden Gruppierung auf marxistisch-leninistischer Grundlage ohne Vorbedingungen und Vorbehalte zusammenzuarbeiten, um das Ziel der dringend gebotenen Einheit zu erreichen.
Wir wissen, daß dies keine leichte Aufgabe ist. Andere westeuropäische marxistisch-leninistische Parteien haben unter günstigeren Bedingungen bis zu ihrer Gründung Jahre gebraucht. Lernen wir aus ihren und unseren Fehlern, schreiten wir zur Tat! 1968 wird für uns das Jahr der Sammlung und des Zusammenschlusses aller Marxisten-Leninisten Westdeutschlands sein. An seinem Ende wird die auf breitester Basis vollzogene Einheit stehen!
W.I. Lenin verurteilte die Revisionisten der II. Internationale, die gegen die gewaltsame Revolution waren und für den parlamentarischen Weg eintraten. Er erklärte: „Nur Schufte oder Einfaltspinsel können glauben; das Proletariat müsse zuerst durch Abstimmungen, die unter dem Druck der Bourgeoisie, unter dem Joch der Lohnsklaverei vor sich gehen, die Mehrheit erobern und können erst dann die Macht ergreifen. Das ist der Gipfel der Borniertheit oder der Heuchelei, das hieße den Klassenkampf und die Revolution durch Abstimmungen unter Beibehaltung der alten Gesellschaftsordnung, unter der alten Staatsmacht, ersetzen.“ („Gruß den italienischen, französischen und deutschen Kommunisten“ Oktober 1919). |
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