Es gibt nur eine KPD/ML !

Dieses Bild ist kein Bestandteil des vorliegenden Artikels des ROTEN MORGEN.

ROTER MORGEN, 6. Jg., 24. April 1972

Nebenstehendes Kommunique zum diesjährigen 1.Mai wurde nach eingehender Beratung von Genossen im Auftrag des Zentralkomitees der KPD/ML und der Gruppe Rote Fahne, Bochum verabschiedet. Dabei gab es eine harte Diskussion um den 3. Absatz des vorliegenden Kommuniques. Unseres Erachtens stellt er einen unzulänglichen Kompromiß dar, den wir nur eingingen, um die Aktionseinheit zum 1. Mai nicht scheitern zu lassen.

Warum ein Kompromiß? Die Sache liegt auf der Hand. Stellt man fest, daß es in einem Land nur eine marxistisch-leninistische Partei geben kann. Stellt man fest, dass diese Partei für Westdeutschland und Westberlin am 31. 12. 1968 unter dem Namen KPD/ML gegründet wurde. Stellt man dies fest, so ist es ein Widerspruch, dass ein Kommunique von zwei Organisationen verabschiedet wird, die sich KPD/ML nennen. Eine davon muß eine Spalterorganisation sein und hat infolgedessen keinen Anspruch auf den Namen KPD/ML. In Erkenntnis dieses Widerspruchs hatten wir vorgeschlagen, dass jede Organisation das gemeinsame Kommunique mit einem eigenen Vorspann herausgibt: Das Zentralkomitee der KPD/ML und die Rote Fahne, Bochum (die sich KPD/ML-ZB nennt) haben . . . und umgekehrt.

Es mag Genossen geben, die diese Auseinandersetzung für einen Streit um Worte halten. Dem ist nicht so, hier handelt es sich ganz einfach um Prinzipien einer bolschewistischen Partei. Warum sagen wir, die Genossen der „Rote Fahne, Bochum“? Weil es drei „Rote Fahnen“ gibt? Um sie zu diffamieren? Um sie abzuqualifizieren? Um sie als Minigruppe hinzustellen, was sie nicht sind? Nein! Wir sind der Meinung, daß es in der „Gruppe Rote Fahne“ die Mehrzahl der Genossen subjektiv ehrliche Marxisten-Leninisten sind. Nur können wir die Führung dieser Gruppe aus einer Verantwortung nicht entlassen, daß sie die Partei gespalten, daß sie ein gestörtes Verhältnis zum demokratischen Zentralismus haben.

Versuchen wir ihnen, das, was wir meinen, an einem Beispiel des Genossen W. D. klarzumachen. Der Genosse W. D. – ein älterer Genosse aus der KPD – trat im Februar 1969 im Zuge der Gründung des Landesverbandes NRW in die Partei ein. Schon bald wurde er Mitglied des Zentralkomitees. In dieser Eigenschaft brachte er im September 1969 einen Antrag ein, der einen „Aufnahmestopp für Studenten, Schüler und Lehrkräfte“ vorsah. Der Antrag war begründet und wurde angenommen. In der Folge führte dieser Beschluß jedoch zu einer lebhaften Diskussion in der Partei sowie auch in der zentralen Leitung. Er wurde aufgehoben und in der Partei zur Diskussion gestellt. Als Ergebnis wurde beschlossen besonders erschwerende Richtlinien für die Aufnahme intellektueller Genossen zu erlassen.

Soweit der Vorgang, den W. D., der heute mit dem KAB (Rote Fahne Tübingen) liiert ist, vor kurzem zum Anlaß für eine Polemik gegen die Partei nahm. Er sagte – neben den aus dieser Richtung üblichen Verleumdungen – sinngemäß: jetzt habt ihr den Salat, hättet ihr damals auf mich gehört, und den Beschluß nicht rückgängig gemacht,  hätten euch „die Intellektuellen“ die Partei nicht kaputtmachen können.

Abgesehen davon, dass die Partei aus den Auseinandersetzungen mit den Liquidatoren auf dem letzten Parteitag hervorging, muß man sich heute fragen: Hatte der Genosse W. D. damals recht und die Mehrheit des ZK unrecht oder umgekehrt? Die verlängerte Kandidatenzeit für Studenten hat nicht verhindern können, sagt W. D. , daß kleinbürgerliche   karrieristische Elemente in die Partei eindringen konnten. Er hat recht. Richtig und für die Partei nützlich wäre es gewesen, den von ihm damals beantragten Aufnahmestopp für Intellektuelle mit der Einschränkung, daß über zulässige Ausnahmen die Zentrale beschließt, durchzuführen. So wäre es möglich gewesen, die wenigen echten revolutionären Intellektuellen in die Partei aufzunehmen und die ungefestigten, schwankenden Elemente draußen zu halten. In diesem Punkt hat W.D. recht und wir müssen Selbstkritik leisten.

Stellt sich durch die Praxis heraus, daß die Mehrheit unrecht hat und die Minderheit Recht hatte, so muß die Mehrheit Selbstkritik leisten. Das ist klar. Wie aber verhält sich die Minderheit, die zwar davon überzeugt ist, daß sie recht hat, solange dies durch die Praxis noch nicht bewiesen ist? Sie hat das Recht und die Pflicht, die Sache von Zeit zu Zeit wieder aufs Tapet zu bringen, solange bis sich klar herausstellt, daß sie recht oder unrecht hat. Im übrigen aber hat sie sich an die Beschlüsse zu halten.

Wie aber verhielt sich W. D. Nachdem der Beschluß gegen seine Stimme aufgehoben war, erklärte er das ZK für unfähig und zog sich beleidigt auf seinen Landesverband NRW, dessen 1. Sekretär er war, zurück. Gleichzeitig machte er den Vorschlag, das ZK aufzulösen bzw. als Grußzentrale für ausländische Bruderparteien bestehen zu lassen. Er propagierte die  These der unabhängigen Königreiche, das heißt, die Landesverbände sollten unabhängig voneinander nach eigenem Gutdünken aufgebaut werden, die „Landesfürsten“ sollten sich von Zeit zu Zeit zum Erfahrungsaustausch treffen. Das aber hieß nichts anderes (wie es sich später auf dem außerordentlichen Parteitag wiederholte) das Statut der Partei mißachten und die Partei überhaupt in Frage zu stellen. Sein Haß auf die Zentrale war so groß, daß er nun plötzlich den noch kurz zuvor von ihm befürworteten Aufnahmestopp als erledigt erklärte unter der fadenscheinigen Behauptung, der Landesverband NRW hätte nun eine proletarische Mehrheit. Der Grund dafür war, wie sich später auf dem Landesparteitag in NRW, auf dem es zur Spaltung kam, herausstellte, dass er die kurz zuvor aufgenommenen jungen intellektuellen Genossen gebrauchte, sich eine Mehrheit zusammenzuzimmern, die dann ja auch knapp zustande kam.

Insofern trifft W. D. die Hauptschuld an der damaligen Spaltung, aus der die Gruppe Rote Fahne und der KJVD hervorgingen. Er hätte als „erfahrener Genosse“ wissen müssen, daß man ein einmal beschlossenes Statut nicht einfach so mir nichts dir nichts zwischen den Parteitagen außer Kraft setzten kann. Er hätte wissen müssen, daß das Prinzip des Demokratischen Zentralismus in der Partei nicht einfach ein Ding ist, das man je nach Laune drehen und wenden kann. Daß immer noch gilt – und mag es manch intellektuellem Kleinbürger einen Schauder über den Rücken jagen:

1.) Unterordnung des einzelnen unter die Organisation;
2.) Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit;
3.) Unterordnung der unteren Instanzen unter die oberen;
4.) Unterordnung der gesamten Partei unter das Zentralkomitee;

Wer gegen diese Regeln verstößt, der untergräbt die Einheit der Partei!

Das ist es, was offensichtlich von manchen Genossen, die heute bei den Liquidatoren sind, auf dem außerordentlichen Parteitag überhaupt nicht begriffen wurde. Der Genosse E. A. formulierte es, als er zu den Delegierten sagte: Ihr habt das Recht das Zentralkomitee zu kritisieren, ihr habt das Recht, den Rechenschaftsbericht des ZK zurückzuweisen, ihr habt das Recht ein völlig neues Zentralkomitee zu wählen, aber ihr habt nicht das Recht, das Statut der Partei für nicht existent zu erklären, das Prinzip des Demokratischen Zentralismus über Bord zu werfen und die Partei aufzulösen. Erst als sich auf dem Parteitag ganz klar zeigte, daß die Mehrheit der Delegierten nicht einmal mehr bereit war, Beschlüsse, die der Parteitag als höchstes Gremium der Partei selbst gefaßt hatte, durchzuführen, als das Statut für unverbindlich erklärt wurde, als die Mehrheit nicht mehr bereit war, offen auftretende Parteifeinde aus dem Saal zu entfernen, zogen die bolschewistischen Delegierten die Konsequenz, indem sie diesen „Parteitag“ der keiner mehr war, verließen und den Parteitag der KPD/ML fortsetzten.

Es ist geradezu lächerlich und idealistisch von einer jungen im Aufbau befindlichen marxistisch-leninistischen Partei zu erwarten, daß sie keinen Fehler macht, daß sie schon alle Kriterien einer voll entwickelten bolschewistischen Partei erfüllt. Das heißt einem einjährigen Kind vorwerfen, daß es noch in die Hosen macht oder einem dreijährigen, daß es noch nicht erwachsen ist. Was nicht heißen soll, daß wir noch 15 Jahre warten müssen, um eine voll entwickelte bolschewistische Partei zu sein. Eines jedoch hat die Partei vom Tag ihrer Gründung an: ein Statut und eine programmatische Erklärung. Beides hat die KPD/ML. Beide Dokumente werden von jedem Genossen bei seinem Eintritt in die Partei anerkannt und für ihn verbindlich. Sie können nur auf einem Parteitag geändert, ergänzt bzw. erweitert werden.  Niemals können Genossen daherkommen, wenn sie Beschlüsse oder gar die Linie der Partei für verkehrt halten, daraus die Konsequenz abzuleiten, sie für sich für unverbindlich zu erklären oder gar das Recht die Partei zu spalten.

Genosse Mao Tsetung gehörte einer Partei an, nämlich der KPCh, die zeitweilig in den ersten Jahren nach ihrer Gründung keine völlig korrekte Linie, sondern „links“ oder rechtsopportunistische Abweichungen hatte. Hat er daraus die Konsequenz gezogen – wie unsere kleinbürgerlichen Intellektuellen – die Partei zu spalten? Nein, er ist in der Partei geblieben und hat beharrlich für die Durchsetzung der korrekten Linie auf dem Boden des Demokratischen Zentralismus gekämpft. So verhält sich ein Kommunist. Die Partei zu spalten ist nur, aber auch nur dann zulässig, wenn klar und eindeutig bewiesen ist, daß sie eine absolut revisionistische Linie hat, daß das Prinzip des Demokratischen Zentralismus ausgeschaltet ist, so daß eine Korrektur dieser Linie von innen nicht mehr möglich ist. Für alle, die sich in der Vergangenheit in unserer Partei als Fraktionisten und Spalter betätigt haben, ist typisch, daß es sich bei ihnen (außer W. D.) um kleinbürgerliche Intellektuelle handelt, die ein gestörtes Verhältnis zu den Prinzipien des Demokratischen Zentralismus, der Kritik und Selbstkritik und der proletarischen Disziplin haben. In Wirklichkeit gehörten sie nie der Partei an, obwohl sie zeitweilig darin waren.

Um eine Frage können sich die Genossen der Gruppe Rote Fahne, Bochum, des KJVD nicht drücken – mögen sie es damals erkannt haben oder nicht, mögen sie fehlorientiert gewesen sein – sie haben die Partei gespalten. Selbst wenn, wie sie behaupten, das ZK eine falsche Linie gehabt hätte, hätten sie versuchen müssen, dies innerhalb der Partei nach deren bolschewistische Prinzipien zu ändern. Deshalb gibt es heute auch keine zwei, drei oder vier, sondern nur eine KPD/ML, deren höchstes Gremium das Zentralkomitee und deren Zentralorgan der Rote Morgen – wie auf dem Gründungsparteitag beschlossen – ist.   

 

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