ROTER MORGEN, 7. Jg., 31. März 1973
Nato-Truppen, raus aus Deutschland!
„Egal, ob sie mit Raketen, Bomben oder Maschinengewehren schossen, das Ziel wurde stets mit erstaunlicher Treffsicherheit getroffen.“
So begeisterte sich die westdeutsche Presse über das Nato-Manöver, Bulls Eye, das bis zum 28. 3. in Norddeutschland lief. Die bürgerlichen Schreiber sagen im Klartext, was bei Brandt und Leber vornehm heißt: ‚den Frieden gestützt auf das Nato-Bündnis sichern.‘
Die Häufung der Manöver der NATO und des Warschauer Pakts in der letzten Zeit zeigt, was von der angeblichen Friedens- und Entspannungstendenz in Europa zu halten ist. Das Gegenteil von Frieden und Entspannung, das Gegenteil von ‚menschlichen Erleichterungen‘. Was die NATO-Armee bei uns angeht, so haben deren Anführer, die US-Militaristen, die in Vietnam bewiesen, zu welchen Verbrechen sie fähig sind. Vor solchen Verbrechen werden sie auch in Deutschland nicht zurückschrecken.
So heißt es im Spiegel Nr. 35 1972: „ . . In streng geheimen Kriegsplänen für Westeuropa, Kuba, Korea, Äthiopien und Venezuela empfahl die ‚Strategische Studiengruppe‘ des US-‘Corps of Engineers’ den Einsatz jener Kraftstoffe, mit denen sie das Land ihres fernöstlichen Alliierten Südvietnam seit elf Jahren verwüsten: Chemische Entlaubungsgifte . . .“. Hauptkampfzonen sind nach Ansicht der US-Pioniere zunächst die bewaldeten Gebiete zwischen Fulda und Rhein.“
Aber nicht nur chemische Gifte sind geplant. Vor einem Jahr wurde durch den amerikanischen Soldaten Michael Dole bei einem Kriegsdienstverweigerungsverfahren bekannt, daß in seiner Kavallerieeinheit bei Kitzingen in Unterfranken Atomminen lagern. Auf die Empörung der Bevölkerung hin bemühte sich das Landratsamt Kitzingen verzweifelt, diese Enthüllung als Lüge hinzustellen. Es wurde behauptet, der Prozeßberichterstatter sei ‚links‘; es gebe keine Atomminen, ‚bloß‘ Nuklearwaffen usw. Der Landrat wollte alle Bedenken zerstreuen durch einen Brief vom US-Hauptquartier, der ein wirkliches Dementi sein sollte. Sein Argument hatte nur einen Schönheitsfehler: Der Brief darf nämlich auf höhere Weisung von München nicht veröffentlicht werden …
Stattdessen veröffentlichte aber eine Lokalzeitung folgende Antwort, die sie auf Anfrage
beim US-Hauptquartier erhielt:
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US-Hauptquartier: „Keinerlei Gefährdung“
Das in Heidelberg stationierte Hauptquartier der US-Armee in Europa nimmt wie folgt Stellung zu unserer Anfrage nach der „Atom-Abteilung“ in Kitzingen: „Das 10. Pionierbataillon der 3. Infanteriedivision verfügt über ein Atomic Demolition Platoon (i.e. Nuklearwaffen-Sprengkommando), welches aus 35 Mann besteht und dem Bataillon angeschlossen ist. In Friedenszeiten, so wie jetzt, sind Übungen die Hauptaufgabe dieses Zuges (Platoon). Das Übungsprogramm des Zuges gefährdet in keiner Weise die Zivilbevölkerung oder irgendwelches Privateigentum“
gez. H. Lutz
Pressestelle, HQS US. Army,
Europe and Seventh Army
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Wie die Vandalen
Die US-Truppen sorgen mit dem ‚Frieden‘, den sie wie die Vandalen der westdeutschen Bevölkerung bescheren, selbst dafür, daß die Massen sich immer heftiger empören. Wer geht denn nicht auf die Barrikaden, wenn er sieht, wie die Besatzer hier nach dem Standpunkt: Nach uns die Sintflut hausen wie die Vandalen.
Ob wie in Würzburg die Abwässer aus den Kasernen einfach in den Main gekippt werden.
Oder wenn wie in Sundsacker bei Eckernförde auf der einzigen Straße, die ein Heim für schwer behinderte Kinder mit dem Ort verbindet, jetzt Nato-Panzer rollen sollen?
Wenn wie in Breitenau bei Bamberg ein Raketenstandplatz ausgerechnet auf dem Anwesen von drei Kriegerwitwen angelegt werden soll – und ihnen eine ‚Abfindung‘ von 46 Pf pro Quadratmeter dafür angeboten wird?
Wenn wie in Erlensee, Nordhorn und anderen Städten die Bevölkerung nervenkrank wird vom Lärm auf den Nato-Flugplätzen?
Wenn wie im Emsland im Kreis Cloppenburg Bombenabwurfplätze direkt in die Nähe von Städten und Dörfern geplant werden, das Leben der Bevölkerung auch in ‚Friedenszeiten‘ direkt bedroht ist?
Gewaltsam gegen die Unterdrücker
Wie schnell es bei dem Kampf der Bevölkerung gegen die ausländischen Truppen mit dem ‚Friedensgehabe‘ der Imperialisten vorbei ist, zeigt der Kampf der Nordhorner Bevölkerung vor zwei Jahren. Im Herbst 1971 besetzten mehrere hundert Einwohner von Nordhorn und Klausheide im Emsland den Bombenübungplatz der Nato. Den Demonstranten schlossen sich viele Arbeiter der Nachtschicht der Nordhorner Textilfabriken und mehrere Schulklassen mit ihren Lehrern an. Mit der Besetzung wurde gegen die Bombenabwürfe auf das Emsland protestiert.
Als die Demonstration auf das Nato-Gelände zogen, gaben englische Sicherungsposten Warnschüsse ab. Als das nichts half, wurde die deutsche Polizei zu Hilfe gerufen. Aber auch so war der Marsch der Demonstranten nicht zu stoppen. Als sie die Mitte des Flugplatzes erreicht hatten, wurde Bundeswehr eingesetzt, Starfighter flogen im Tiefflug über die Männer, Frauen und Kinder.
Die Nordhorner haben den Gewalteinsatz der Nato-Imperialisten erlebt. Ihr Widerstand ist dadurch nicht gebrochen worden. Jetzt haben die Eltern der Schulkinder von Klausheide erneut den Schulstreik gegen die Belästigungen durch den Nato-Flughafen beschlossen.
Der Kampf der Klausheidener Schulkinder und Eltern zeigt, sie tief der Haß der Bevölkerung auf die ausländischen Truppen ist. Zurecht. Denn wir haben nicht vergessen, warum sie ins Land gekommen sind: Um die verhaßten Herren von Kohle, Stahl und Chemie wieder hochzupäppeln, um mit ihnen zusammen den Kampf für ein freies, ein sozialistisches Deutschland niederzuringen. Und wir erleben jeden Tag aufs neue, daß wir sie erst dann abschütteln können, wenn wir uns gegen die westdeutschen Herren erheben, und der Arbeiter selbst Herr im Hause ist.
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