ROTER MORGEN, 3. Jg., Juni 1969
Zerschlagt das betrügerische Wahlkomplott der Monopolburgeoisie und ihre Lakaien!
Der Bundestagswahlkampf wird vorbereitet. Der allvierjährliche Akt des bürgerlich-parlamentarischen Affentheaters beginnt über die Bühne zu rollen. Im Parlament werden die letzten Gesetze erlassen und in den Büros bereiten sich die von den Parteien angeheuerten Werbeprofis auf die Wahlschlacht vor. Werbeetat der drei großen Parteien rund 90 Millionen D-Mark. Dagegen nehmen sich die 10 Millionen der NPD diesmal noch bescheiden aus.
Die Show kann beginnen. Badedas-Eggert und Dr. Hegemann (Palmolive und Mr. L), der schon den Adenauer-Slogan „Keine Experimente“ kreierte, werben für die CDU diesmal in rot auf weiß, da die SPD in ihrem Horror, vor allem was rot ist, sich auf ein sattes Orange verlegte. Die SPD steigt mit der Werbeagentur ARE auf die Bühne. Ihr erster Clou: Bundesdeutschlands Fernsehliebling Kuli wirbt für die Partei. Die FDP schließlich läßt die Team-Werber (Audi, Königs Pilsener etc.) für sich arbeiten. Daß darüber hinaus täglich, stündlich, pausenlos die Massenmedien wie Presse, Fernsehen, Rundfunk direkt oder indirekt im Sinne der herrschenden Klasse auf die Volksmassen einwirken, rundet nur das Bild der absoluten, totalen Manipulation ab.
Wählen? Was heißt hier schon wählen. Wählen heißt doch, sich zwischen grundsätzlich verschiedenen Möglichkeiten entscheiden zu können. Was aber, wenn jemanden, der Durst auf ein kühles Helles hat, nur fünf verschiedene Sorten Wein vorgesetzt werden? Kann er dann noch wählen? Nein, wenigstens nicht zwischen dem, was er mag, und was er ablehnt.
So und nicht anders stellt sich die Situation zur diesjährigen Bundestagswahl dar. Der Bundesbürger wählt – wohin er sein Kreuz auf dem Wahlzettel auch setzt – immer nur die ausführenden oder ihre Herrschaft sichernden Organe der Monopolbourgeoisie.
Die CDU/CSU ist zur Zeit die Hauptstütze der Monopolbourgeoisie. Die klassische Unternehmerpartei.
Die SPD unterscheidet sich nur noch in Detailfragen von den vorgenannten. Sie dient den Herrschenden – Große Koalition – als Stütze ihrer Macht in Krisenzeiten und wird, wenn sie nicht benötigt, fallengelassen.
Die FDP ist die sich liberal gebende Variante der Bourgeoisie
Die NPD dient als Auffangbecken für die unzufrieden werdenden Massen des Kleinbürgertums, als Eingreifreserve, falls sich die Lage für die Monopole entscheidend verschlechtern sollte.
Die AdF spielt auf der „linken“ die Rolle, die die NPD auf der rechten Seite spielt. Die ihr von den Herrschenden zugedachte Aufgabe ist es, die zu einer konsequent gesellschaftsverändernden Politik drängenden Teile des Volkes auf den Kurs der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung zu halten bzw. zurückzuführen.
So sehr sich die vorgenannten Parteien in Detailfragen: Anerkennung der DDR, Atomwaffensperrvertrag, Notstandsgesetze, Grenzen von 1937, mehr oder weniger soziale Rechte für das Volk etc. auch unterscheiden mögen, keine von ihnen stellt die Klassenfrage, fordert die Beseitigung der Diktatur der Monopolbourgeoisie und die Errichtung der Diktatur des Proletariats. Trotz des Aufgebots an verschiedenen Parteien haben wir es in der Hauptsache nur mit einem Gegner zu tun. Diese verschiedenen Parteien sind lediglich verschiedene Brigaden einer imperialistischen Armee. Das ist das typische Bild einer bürgerlichen Demokratie, in der das Parlament, wenn überhaupt, von der revolutionären Partei der Arbeiterklasse, lediglich dazu benutzt werden kann, diesen Betrug am Volk zu entlarven.
Sollen und können wir uns unter diesen Umständen an der Bundestagswahl 1969 beteiligen? Hier müssen wir zwei Dinge unterscheiden. Natürlich werden wir uns am Wahlkampf beteiligen, und das nicht zu knapp. Das heißt, wir werden die Situation vor der Bundestagswahl, in der große Teile der Bevölkerung für politische Dinge aufgeschlossener sind, ausnutzen, um ihnen die Politik unserer Partei zu erläutern. Keinesfalls aber werden wir uns durch Aufstellung eigener Kandidaten am diesjährigen bürgerlich-parlamentarischen Wahlrummel beteiligen.
Wem sollte das unter den gegebenen Umständen nützen? Niemanden. Noch befindet sich unsere junge marxistisch-leninistische Partei im Aufbau. Noch wurde nicht in aller Breite und Tiefe die absolut notwendige Klassenanalyse erstellt und daraus die einzuschlagende Strategie und Taktik entwickelt. Natürlich haben wir als Richtschnur für unser Handeln den Marxismus, den Leninismus, die Maotsetungideen. Ihre konkrete Anwendung auf die Situation in der Bundesrepublik muß aber noch erarbeitet werden. Und es wäre unverantwortlich, wollten wir in dieser für die Zukunft unseres Volkes entscheidenden Frage übereilt oder leichtfertig handeln.
Bleibt jedoch noch die Frage, wenn all diese notwendigen Dinge vollzogen wären, wäre es dann zweckmäßig, sich durch die Aufstellung eigener Kandidaten an der Wahl zu beteiligen? Auch hier muß man fragen, wem nützt das? Uns oder dem Klassengegner? Wir wissen um die Allmächtigkeit des Apparates der öffentlichen Meinungsbildung, der der Monopolbourgeoisie zur Verfügung steht. Andererseits aber kennen wir auch die Unbesiegbarkeit des Marxismus-Leninismus, der Maotsetungideen, und wissen, wenn diese vom Volk, von der Arbeiterklasse in ihren Grundzügen und ihrem Wesen begriffen, verstanden und angewendet werden, daß das Schicksal der Bourgeoisie, der Ausbeuterklasse trotz Werbeprofis, Presse, Fernsehen, Rundfunk besiegelt ist.
Würden wir uns jetzt, wo der Marxismus-Leninismus, die Maotsetungideen noch nicht im breiteren Maße die Massen erfaßt haben, wo es noch keine völlig gefestigte Avantgarde des Proletariats, kein fest umrissenes marxistisch-leninistisches Programm zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes gibt, uns mit Kandidaten an d en Wahlen beteiligen, gäben wir dem Klassengegner die Möglichkeit, erstens hämisch auf das zu erwartende prozentual niedrige Wahlergebnis hinzuweisen „da seht ihr …“ und zweitens würden wir jetzt damit – wenn auch ungewollt – die von den Revisionisten der DKP/AdF genährte Illusion unterstützen, es ließe sich auf friedlich-parlamentarischem Wege eine Änderung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse erreichen.
Jeder Marxist-Leninist weiß, daß der Sturz der Monopolbourgeoisie nur herbeigeführt werden kann, durch einen breiten, außerparlamentarischen Kampf mit allen Mitteln bis hin zum bewaffneten Aufstand. Jeder Streik, der das Klassenbewußtsein der Arbeiter fördert, jede Demonstration, die die herrschende Klasse entlarvt, jede erfolgreiche Aktion, die das Selbstvertrauen der Massen hebt, sind wesentlich wertvoller als heute einige wenige Abgeordnete im Parlament, deren Tätigkeit ja nur darin bestehen könnte, von der Tribüne des Parlaments aus den bürgerlich-parlamentarischen Schwindel zu entlarven. Diese Möglichkeit würde den wenigen durch Abschalten im Fernsehen oder Verschweigen in der Presse schon bald genommen.
Bliebe zu fragen, was zur Bundestagswahl empfehlen wir den „Wählern“ zu tun? Ihr Kreuzchen neben eine der auf dem Wahlzettel stehenden Parteien zu setzen? Ihnen empfehlen, von mehreren Übeln das kleinste zu wählen und damit der Bourgeoisie erlauben, sich weiter vom „Volkswillen“ getragen zu fühlen? Nein! Für uns gibt es nur eine Möglichkeit: Die Menschen zum Protest, zum Widerstand gegen diesen bürgerlich-parlamentarischen Wahlschwindel aufzurufen, der ihnen nicht einmal die Chance einer echten Wahl läßt, geschweige denn, ihnen die Möglichkeit gibt, irgendetwas in der Politik dieses Staates zu bestimmen.
Das wird auch in zunehmenden Maße von immer breiteren Schichten unseres Volkes erkannt und drückt sich aus in dem Satz: „Was können wir tun, die da oben machen doch, was sie wollen.“ Die Menschen, die der Wahl fernbleiben, sind beileibe nicht immer nur unpolitisch, sondern viele von ihnen haben ganz einfach „die Schnauze voll“, weil sie instinktiv fühlen, daß sich für sie als Ausgebeutete, als Unterdrückte durch bürgerlich-parlamentarische Wahlen einfach nichts ändern läßt. Hinzu kommt, daß fast die gesamte APO, die Außerparlamentarische Opposition, die revolutionären Jungarbeiter, Lehrlinge, Schüler und Studenten, eine Beteiligung am Wahlschwindel der Monopolbourgeoisie entschieden ablehnt.
Können wir es als revolutionäre Partei der Arbeiterklasse aber bei einer einfachen, passiven Wahlenthaltung bewenden lassen? Nein! Wenn schon, dann müssen wir die Volksmassen zum aktiven Boykott der Wahlen zum Bundestag 1969 aufrufen. Lesen wir dazu, was Lenin zum Boykott der Bulyginschen Duma schrieb (Lenin Band 9, S.175):
„Ferner müssen wir, zweitens alles daransetzen, damit der Boykott realen Nutzen im Sinne der Erweiterung und Vertiefung der Agitation bringt und nicht auf eine einfache, passive Wahlenthaltung beschränkt bleibt. Dieser Gedanke ist, wenn wir nicht irren, unter den in Rußland wirkenden Genossen schon ziemlich verbreitet und wird von ihnen in die Worte gefaßt: aktiver Boykott. Im Gegensatz zur passiven Enthaltung muß der aktive Boykott eine verzehnfachte Agitation bedeuten, die Abhaltung von Versammlungen überall und allerorts, die Ausnutzung der Wahlversammlungen, sei es auch dadurch, daß man gewaltsam in sie eindringt, die Veranstaltung von Demonstrationen, politischen Streiks usw. usf.“
„Aktiver Boykott“ ist also:“ Agitation, Werbung, Organisation der revolutionären Kräfte in größerem Maßstab, mit verdoppelter Energie, unter dreifachen Druck,“ wie Lenin sagt. Natürlich wird die Organisation politischer Streiks, wie Lenin sie fordert, angesichts des Bewußtseinsstandes der westdeutschen Arbeiterklasse heute nur schwer möglich sein. Aber es gibt neben den angeführten ja auch zahlreiche andere Möglichkeiten, dem „aktiven Boykott“ konkreten Ausdruck zu verleihen. Dem Einfallsreichtum der Genossen sind hier keine Grenzen gesetzt.
Lenin fährt fort: „Aber eine solche Arbeit ist undenkbar ohne klare, genaue und direkte Losung“. Die Losung für Lenin und die Bolschewiki war damals im Jahre 1905 angesichts einer revolutionären Situation der bewaffnete Aufstand. Wir, die wir nicht unmittelbar vor einer revolutionären Situation stehen, müssen neben dem Aufruf zum „aktiven Wahlboykott“ anhand der gegebenen Situation und ausgehend vom Bewußtseinsstand unseres Volkes die derzeit richtigen, klaren und verständlichen Losungen entwickeln. Ein diesbezüglicher Vorschlag geht in Form eines geplanten zentralen Flugblattes den Leitungen und Gruppen unserer Partei zur Diskussion und Beratung zu.
.
Antworten