ROTER MORGEN, 6. Jg., 18. Dezember 1972
Bericht von HDW-Kiel:
Die Howaldswerke Deutsche Werft (HDW) umfaßt fünf Werke in Hamburg und Kiel. HDW ist der größte Werftenverband in der BRD und gehört seit einiger Zeit zum staatlichen Salzgitterkonzern.
Die Krisenerscheinungen im Schiffbau und die verschärfte Konkurrenz auf dem Weltmarkt läßt die Bosse zu den üblichen Mitteln greifen.
Bei HDW sieht das so aus: Seit Jahren wird den Kollegen im Mai 100 DM Tonnagegeld ausgezahlt. In diesem Betrag sind mehrere Sozialleistungen enthalten (z.B. Bankkontenbewegung, Familienverschickung). Diese Summe nun wollte die Direktion heuer von den tariflich abgesicherten 30 % des 13. Monatsgehalts abziehen.
Die Arbeiter reagierten auf dieses Manöver mit heftigen Protest. Sie haben die verschärfte Arbeitshetze und die zahlreichen Entlassungen vor Augen. Wenn weniger Arbeiter noch mehr schuften müssen und dann noch am Lohn herumgestrichen wird, dann wird es jedem zu bunt. Sonst hat der Salzgitterkonzern übertariflich 70 % des 13. Monatsgehalts für die Kollegen bei HDW ausgezahlt, jetzt will er von den 30 % noch 100 DM wegsäbeln!
Mit der Empörung der HDW-Kollegen wuchs auch die Bereitschaft zum Streik. 4.000 rote Aufkleber waren im Betrieb geklebt worden, auf denen es hieß: „Gegen Lohnraub und Entlassungen, für 100 DM Tonnagegeld, 70 % wie in Salzgitter.“ Jawohl, das waren die Forderungen der HDW-Arbeiter!
Die Kleber stammten von Marxisten-Leninisten im Betrieb, die für den Lohnkampf ein gemeinsames Vorgehen trotz verschiedener Organisationszugehörigkeit beschlossen hatten.
Am Donnerstag, den 2.11. waren 30 Kollegen in Gaarden (HDW hat zwei Werke in Kiel-Gaarden und Diedrichsdorf) für eine Stunde in Streik getreten. Daraufhin verteilten die Genossen am Freitag gemeinsam den Streikaufruf an die Kollegen.
Die Direktion merkte die Stimmung im Betrieb und wollte auf einmal nur noch 50 DM abziehen. Aber zu spät. In Diedrichsdorf warfen am Freitag 300- 400 Kollegen die Brocken hin. Das war die richtige Antwort auf die Spaltungs- und Abwieglungsversuche mit den 50 DM. Die Kollegen wußten: Hier ging es um mehr als die 100 Mark. Hier wollten die HDW-Bosse die Kampfkraft der Arbeiter im Hinblick auf die Metalltarifrunde und die geplanten Rationalisierungsmaßnahmen brechen.
„Verklagen sollte man die Direktion!“
– solch tantenhafte Weisheiten verbreiten in solch einer Situation die D“K“P-Betriebszeitungen. Die D“K“P dachte nicht daran, entschlossen zum Streik aufzurufen. Auch der Vertrauensleutekörper zu 80 % in der SPD, rührte außer einigen vorbildlichen Ausnahmen keinen Finger. Vorher war auf einer Vertrauensleuteschulung in Kiel die Parole ausgegeben worden: ‚Keinen Streik vor und nach der Wahl. Das schadet der SPD!‘ So fielen viele Vertrauensleute ihren Kollegen in den Rücken.
Montag, 6. November. Die Genossen von HDW verteilen ein weiteres Flugblatt zum Streik. Da D“K“P-Leute gedroht hatten, das zu verhindern, waren Genossen der Roten Zellen Kiel zur Unterstützung mitgekommen.
500 Kollegen in Gaarden legten an diesem Tag die Arbeit für 2 Stunden nieder. Am Dienstag waren es bereits 1.500 und weitere 2.000, die zwar am Arbeitsplatz erschienen, aber keinen Finger rührten. 500 Kollegen in Gaarden schlossen sich mit einem einstündigen Streik an.
D“K“P pfeift zurück
Am Montag war es bereits der D“K“P gelungen, den Streik in Diedrichsdorf abzuwürgen. Streikwillige D“K“P-Kollegen wurden von der D“K“P-Führung zurückgepfiffen. Gerade jetzt im Wahlkampf war die D“K“P-Führung auf besonderes ‚Wohlverhalten‘ gegenüber dieser Ausbeuterordnung bedacht.
Am Mittwoch wurde aber Helmut Schlüter, Mitglied der D“K“P-Betriebsgruppe, fristlos von den HDW-Bonzen entlassen. Mag es auch klare politische Gegensätze zwischen Helmut Schlüter und uns Marxisten-Leninisten geben. Trotzdem verurteilten wir sofort in einem Solidaritätsaufruf an alle Kollegen diesen Anschlag der Kapitalisten. Viele Kollegen folgten diesem Aufruf, wurden aber von den Handlangern der Direktion mit Entlassungsdrohungen auseinandergejagt. Der Höhepunkt des Streiks war überschritten. Noch einmal war es den Kapitalisten und ihren freiwilligen Handlangern im Betrieb gelungen, die Streikfront zu spalten.
Gerade jetzt aber war es die Pflicht der Kommunisten bei HDW, den Kollegen zu zeigen, daß sich dennoch klare Beweise der Kampfstärke, der Solidarität und Entschlossenheit der HDW-Arbeiter gezeigt haben. Und auch unsere Genossen zogen Bilanz aus ihrer eigenen Arbeit: Die fortschrittlichen Kollegen müssen gewonnen werden. Bessere Arbeit im Vertrauensleutekörper. Noch schneller und mutiger die Initiative zum Kampf ergreifen.
Und den Kollegen muß aufgezeigt werden, daß unter der Führung der D“K“P kein Blumentopf zu gewinnen ist. Die D“K“P-Führer kämpfen nicht wie Kommunisten, auch nicht im Kampf um die wirtschaftlichen Forderungen der Kollegen! Die D“K“P hat sich erst dann an die Spitze des Streiks gestellt, als der Streik schon angefangen hatte. Die D“K“P hat zum Abbruch geblasen, als es darum ging, alle Kollegen zu mobilisieren.
Trotz vorhandener Schwächen haben dagegen die Marxisten-Leninisten richtig gehandelt. Die KPD/Marxisten-Leninisten muß und wird auf diesem Weg weiter gestärkt werden. Kämpfen wir um die Einheit revolutionärer Kollegen und aller Kommunisten in der KPD/ML!
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