ROTER MORGEN, 2. Jg., Februar 1968
Im letzten ROTEN MORGEN schrieben wir über den Mißbrauch des Wortes „Personenkult“ durch die modernen Revisionisten. Heute wollen wir uns dem Argument einiger KPD-Genossen zuwenden, das in etwa lautet: „Wir möchten die Abhängigkeit von Moskau, nicht mit einer Abhängigkeit von Peking vertauschen“, oder dem Vorwurf, den die Herren im Kreml gegen die KP Chinas erheben: Sie griffe nach der Führung.
Was heißt hier Führung? Gibt es eine solche, alle Bruderparteien beherrschende Führung? Und in wessen Händen liegt sie derzeit?
Zweifellos scheint sich die revisionistische Führung der KPdSU als den natürlichen Führer aller kommunistischen Parteien zu betrachten, obwohl sie unentwegt „von der Unabhängigkeit der Kommunistischen und Arbeiterparteien gemäß den konkreten Bedingungen eines jeden Landes“ schwätzt. Nach ihrer Logik sind ihr Programm, ihre Resolutionen und Erklärungen samt und sonders heiliges Gesetz. Und wehe dem, der wider den Stachel lockt und ihre unendliche Weisheit anzuzweifeln wagt. Er wird gescholten, verdammt, als Spalter, Dogmatiker, Chauvinist usw.
Die Führer der KPdSU mögen sich gesagt sein lassen, die kommunistische Weltbewegung ist kein feudaler Klan, in dem es Vorgesetzte und Untergebene, Herrscher und Beherrschte gibt. Alle Bruderparteien, ausnahmslos ob groß oder klein, ob alt oder neu, ob an der Regierung oder nicht, sind unabhängig, selbständig und gleichberechtigt. Das einmal vorweg. Eine andere Sache ist, daß es im internationalen Kampf des Proletariats um seine Befreiung Vorhuten, Avantgarden gibt. Nach der Niederlage der Pariser Kommune waren, wie Engels sagte, „die deutschen Arbeiter für den Augenblick in die Vorhut des proletarischen Kampfes gestellt worden.“ Und er fuhr fort: „Wie lange die Ereignisse ihnen diesen Ehrenposten lassen werden, läßt sich nicht vorhersagen … vor allem aber gilt es, sich den echt internationalen Sinn zu wahren, der keinen politischen Chauvinismus aufkommen läßt und der jeden neuen Schritt in der proletarischen Bewegung mit Freuden begrüßt, einerlei von welcher Nation er ausgeht.“ Der nächste Schritt kam bald, und es war das russische Proletariat, das ihn siegreich in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution vollzog. Lenin sagte 19l9: „Zeitweilig – selbstverständlich nur für kurze Zeit – ist die Hegemonie in der revolutionären proletarischen Internationale an die Russen übergegangen, wie sie in verschiedenen Perioden des 19. Jahrhunderts die Engländer, dann die Franzosen und dann die Deutschen innegehabt haben.“
„Vorhut“ im Sinne von Engels und „Hegemonie“, wie es Lenin meinte, bedeuteten keineswegs, daß eine Partei, die in die Vorhut der internationalen Arbeiterbewegung gestellt wurde, mit anderen Bruderparteien herumkommandieren könnte, oder daß andere Bruderparteien ihnen zu gehorchen hätten. Als die Kommunistische Partei Rußlands(B) zur Avantgarde der Bewegung wurde, sagt Lenin: „… in Voraussicht all der Entwicklungsstadien in den anderen Ländern soll man nichts aus Moskau dekretieren.“
Gerade die KPChinas, der die sowjetischen Revisionisten den „Griff nach der Führung“ vorwerfen, war es, die auf der Beratung der Bruderparteien von 1957 – als der Verrat der Führung der KPdSU noch nicht so offenkundig war und Hoffnung auf ein Insichgehen bestand – Nachdruck auf die Feststellung legte, daß die Sowjetunion an der Spitze im sozialistischen Lager steht. Doch Chruschtschow selbst beschwerte sich später darüber. Er sagt: „Was kann uns dieses ‚an der Spitze‘ materiell eintragen? Weder Milch noch Butter, weder Kartoffeln noch Gemüse oder Wohnungen. Was kann es uns moralisch geben? Nichts.“ Oder ein anderes Mal: „Was nützt uns dieses ‚an der Spitze‘? Zum Teufel damit!“
Also, wenn nichts dabei für herausspringt, wenn im Gegenteil das ‚an der Spitze‘-stehen erhöhte Verpflichtung und Verantwortung gegenüber dem Weltproletariat bedeutet, so pfeifen sie darauf. Welch schäbige Krämerseelen. Allerdings, nur in Worten lehnen sie ab ‚an der Spitze‘ aller Bruderparteien zu stehen, in der Tat aber verlangen sie das Privileg über ihnen zu stehen, verlangen sie unbedingten Gehorsam.
Spätestens jedoch, als sich die Führung der KPdSU auf den Weg des Revisionismus und Spaltertums begab, als sie die Beschlüsse der Bruderparteien von 1960 ignorierte, sich dem Hauptfeind der Völker, dem USA-Imperialismus anbiederte, den Renegaten Tito rehabilitierte und begann, durch das ’neue System‘ den Kapitalismus in ihrem Lande zu restaurieren, büßte sie ihre Position ‚an der Spitze‘ der internationalen kommunistischen Bewegung automatisch ein. Und spätestens nach der Entwicklung einer korrekten marxistisch-leninistischen Generallinie, spätestens aber seit dem Beginn der Großen Proletarischen Kulturrevolution in der Volksrepublik China, die einen, unverrückbaren Meilenstein auf dem Weg zum Kommunismus setzte, übernahm die KPChinas unter ihrem großen Vorsitzenden, dem Genossen Mao Tse-tung die Spitze der internationalen kommunistischen Weltbewegung.
Die Frage, vor der wir stehen, lautet doch nicht, wer wen führen soll, sondern ob man am Marxismus-Leninismus und am proletarischen Internationalismus festhalten oder sich dem Revisionismus und Spaltertum der Führung der KPdSU unterwerfen soll. Am Marxismus-Leninismus festhalten aber heißt heute, sich eng mit der KPChinas und hier in Europa mit der KPAlbaniens und anderen marxistisch-leninistischen Parteien zu verbünden.
Heißt das aber, die leninsche These von der Unabhängigkeit der kommunistischen und Arbeiterparteien und ihrer Tätigkeit gemäss den konkreten Bedingungen eines jeden Landes mißachten? Keinesfalls! Niemand wird es uns abnehmen, den revolutionären Weg zur Errichtung des Sozialismus in ganz Deutschland entsprechend den konkreten Bedingungen unseres Landes zu erarbeiten und zu beschreiten. Es ist doch geradezu lächerlich, uns vorzuwerfen, den Weg, den die KPCh zur Eroberung der politischen Macht beschritt, sklavisch nachahmen zu wollen. Wohin sollte unser ‚langer Marsch‘ denn führen? Oder sollten wir uns etwa ins Siebengebirge zurückziehen? Auf eines aber können sich die Herren Revisionisten verlassen: es wird ein revolutionärer Weg, der Weg der Oktoberrevolution sein, den wir beschreiten. Mit ihrer antimarxistischen These vom „friedlichen Übergang“ können sie uns samt und sonders gestohlen bleiben.
Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Was sie mit ihren Scheinargumenten wollen, ist, verhindern, daß wir Marxisten-Leninisten auf internationaler Basis uns keine gemeinsame Linie in den Hauptfragen wie z.B. die Haltung gegenüber dem Imperialismus und dem Revisionismus, die Respektierung des allgemeinen Gesetzes der Revolution, des sozialistischen Aufbaus usw. erarbeiten, doch das wird ihnen nicht gelingen. Gerade die Ereignisse der letzten Zeit, die wütenden Angriffe der Imperialisten (Indonesien, Griechenland, Vietnam, Naher Osten) und ihrer Helfershelfer der modernen Revisionisten gegen die Völker, gegen den Marxismus-Leninismus und Sozialismus zeigen, daß wir die internationale Einheit der Marxisten-Leninisten festigen müssen.
Mögen sie noch so laut schreien, mögen sie uns als Satelliten Chinas bezeichnen, mögen sie uns beschuldigen, daß wir eine neue internationale Organisation schaffen wollen, Es wird uns eine Ehre sein. Jawohl, wir sind für die proletarische, internationale Einheit aller Marxisten-Leninisten, die sie schamlos und gründlich verraten haben. Niemand wird uns hindern, uns eng mit China und Albanien, ihren kommunistischen Parteien, mit allen marxistisch-leninistischen Parteien und Gruppen, zur Schaffung der internationalen Einheit aller Marxisten-Leninisten zu verbünden und den Hammer zu schmieden, der den Imperialismus und seine Lakaien restlos zerschlägt.
Ernst Aust
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