ROTER MORGEN, 2. Jg., April 1968
Ende März gaben sie es bekannt: SPD und KPI führen seit vier Monaten einen „Dialog“. Wie SPD-Sprecher Sommer bekanntgab, waren sowohl die Bundesregierung (die in der BRD diesen „Dialog“ nur vom Staatsanwalt führen läßt) wie auch die führende Gruppe der KPdSU ständig auf dem Laufenden gehalten worden.
Über den Sinn des „Dialogs“ lassen die offiziellen Darstellungen der Beteiligten kaum Zweifel. Der KPI, die liebend gern mit den „Links“katholiken koalieren möchte, war in erster Linie daran gelegen, sich von „seriösen“ deutschen Arbeiterverrätern das eigene Renegatentum bestätigen zu lassen. Gleichzeitig sollte auf Wunsch des „fortschrittlichen“ Flügels der KPI eine Distanzierung von der SED erfolgen. Die KPI, so wurde erklärt, sei „nicht mehr bereit, ihr Deutschlandbild einseitig vom Stalinisten Ulbricht bestimmen zu lassen“. Umgekehrt möchte die SPD durch Gespräche mit „richtigen Kommunisten“ beschwichtigend auf ihren linken Flügel wirken. In der Hauptsache jedoch sollte die KPI für die „neue Ostpolitik“ der Bundesregierung begeistert werden.
Wie nicht anders zu erwarten, waren die Renegaten sehr nett zueinander und bescheinigten sich gegenseitig prompt das Gewünschte. Die Sprecher der SPD lobten die „maßvolle“, „erfrischend undogmatische“ Politik der KPI und erklärten, die KPI habe „erkannt, daß ihre bisherige Politik falsch war“,. Nach Auffassung der SPD (und wer wäre kompetenter!) sei die KPI „reif“ für eine Koalition mit der democrazia cristiana. Die KPI revanchierte sich mit einem Artikel in ihrer Wochenzeitschrift „Rinascita“. In diesem wurde der Nürnberger Parteitag der SPD als ein „Kongress des Übergangs“ stürmisch gefeiert. Man habe „viele positive Punkte“ entdeckt. Die Rede Willy Brandts vorm Parteitag könne „Grundlagen für ein Gespräch über die Aussichten der europäischen Politik bieten“.
Eine Hand wäscht die andere. Der „Dialog“ zwischen SPD und KPI soll fortgesetzt werden.
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